Projekte in Chile

„Meeresschutzzone Humboldt Archipel" - Gespräch und Info-Veranstaltung

La Serena 30. November 2023. Im 11. August beschloss der Ministerrat für Nachhaltigkeit der Regierung Boric die „Meeresschutzone Humboldt Archipel“. Diese Woche wurde die Erklärung der „Schutzzone mit verschiedener Nutzung“ im Amtsblatt veröffentlicht. Nun kann und muß in einem gesetzlich vorgeschriebenen Zeitraum von 2 Jahren ein Managementplan für die Schutzzone erarbeitet werden. Dafür zuständig ist das Umweltministerium, vertreten durch die  Unterstaatssekretäre für Umwelt, Natalia Penroz für die Region Atacama und Leonardo Gros für die Region Coquimbo.

Seit der Entscheidung der Regierung für die „Meeresschutzzone Humboldt Archipel" sind die Firmen Andes Iron, Compañía Minera del Pacífico (CMP) und ihre Befürworter weiter sehr aktiv. Sie verbreiten regelmässig Fehlinformationen in den Medien, realisieren Projekte in den Küstendörfern, z.B. lassen sie Gehwege befestigen, stellen ein Netzwerk für das Internet zur Verfügung, siedeln neue Bewohner an und fördern den Tourismus. Ihre Gegner bzw. vermeintlichen Gegener überziehen sie mit Klagen. Betroffen sind nicht nur Umweltaktivisten sonder auch die Umweltministerin Maisa Rojas C. und auch Leonardo Gros, Unterstaatssekretär für Umwelt der Region Coquimbo. Er hatte sich in der Sitzung des Ministerates im Juli versprochen und wurde daraufhin wegen Falschaussage angeklagt (siehe auch „Projekte Chile“ vom 15. Juli und 23. November).

Am 22. November hatte das Team von Sphenisco - Nancy Duman, Karen Quezada und Werner Knauf – Gelegenheit Leonard Gros zu sprechen. Kontakte zu politisch Verantwortlichen werden in Chile seit einiger Zeit in einem Transparenzsystem erfasst. Alle - Bürger, Vertreter von Institutionen und Firmen - müssen ihren Gesprächswunsch anmelden und ihr Anliegen nennen. Das Anliegen von Sphenisco war die „Meeresschutzzone Humboldt Archipel“ sowie der ebenfalls von der Regierung Boric verabschiedete nationale Plan zur Bewahrung des Humboldt Pinguins. Werner Knauf stellte zunächst Entwicklung und Projekte von Sphenisco vor. Dann fragten die Vertreter von Sphenisco nach dem nationalen Plan zur Bewahrung des Humboldt Pinguins, der im September nach 12-jährigen Beratungen verabschiedet wurde. Da der Plan bisher nicht veröffentlicht wurde, ist offen, ob er das Potential hat, den Schutz wirklich zu verbessern. Der Unterstaatssekretär bewertete den Plan positiv und sagte zu, Sphenisco das gesamte Dokument zugänglich zu machen, sobald es veröffentlicht wurde.


Bezüglich des Managementplans wies der Unterstaatssekretär zunächst darauf hin, dass die „Meeresschutze Humboldt Archipel“ nach wie vor sehr umstritten ist. Er bezeichnete die Ausarbeitung einer Satzung, Entwicklung und Aufbau eines Leitungs- sowie eines Beratungsgremium für die Schutzzone als große Herausforderung für das Umweltministerium und auch für sich persönlich. Es ist ihm wichtig, alle Betroffenen, besonders Bürger und Wissenschaftler intensiv einzubeziehen und zu beteiligen. Ziel des Ministerium ist es, die Verwaltung der Schutzzone so zu gestalten, dass die Produktivität der Meereszone erhalten und eine übermäßige Nutzung oder Schädigung der Ressourcen verhindert wird. Dafür sieht er in den vorliegenden wissenschaftliche Daten eine wichtige Grundlage und Orientierung. Er begrüsst es sehr, dass Sphenisco die Gestaltung der Schutzzone weiterhin mit Öffentlichkeits- und Bildungsarbeit sowie Förderung der eminent wichtigen Forschung zum Humboldt Pinguin unterstützen wird.

Am 25. November fand im Restaurant Brisa Marina, Caleta Los Hornos eine Veranstaltung mit dem Thema "¿Qué entendemos por áreas marinas protegidas de múltiples usos?" (Was verstehen wir unter einer Meeresschutzzone mit verschiedener Nutzung) statt. Der Historiker und Restaurantbesitzer José Aguilera aus Los Hornos hatte Nancy Duman (Alianza Humboldt, Sphenisco) sowie Unterstaatssekretär Leonardo Gros gebeten, zum Thema zu referieren. Rund 30 Personen nahmen an der Veranstaltung teil, deren Organisation von Sphenisco unterstützt wurde.

Nancy Duman stellte den langen und mühevollen Weg zur Deklaration der Schutzzone dar und wies darauf hin, dass die Schutzzone von drei verschiedenen Regierungen beschlossen, die wirkliche Ausdehnung des Archipels allerdings nur von der Regierung Boric berücksichtigt wurde. Dann beschrieb sie Abstufung und Unterschiede der Schutzkategorien
- Área marina costera protegida de multiples usos-AMCP-MU (Meeres- und Küstenschutzgebiete für Mehrfachnutzung),

- Reserva Marina (Meeresschutzgebiet),

- Santuario de la Naturaleza (Naturheiligtum) und
- Parque Marino (Meerespark).

Der Unterstaatssekretär knüpfte daran an und führte aus, was in den verschiedenen Schutzgebieten erlaubt bzw. untersagt ist. Er machte deutlich, dass in einer AMCP-MU viele Arten den Nutzung möglich sind, diese aber am Kriterium der Nachhaltigkeit gemessen werden. Auch industrielle Projekte wie Bergbau- und Hafenprojekte sind im Prinzip möglich, wenn im Prozeß der Umweltbewertung ihre Nachhaltigkeit bzw. Unschädlichkeit für das Ökosystem nachgewiesen wird.


Die Ausführungen provozierte sehr ausführliche kritische Einwände von Fischern, die sich für die Bergbau- und Hafenprojekte einsetzen. Sie mißtrauen Staat und Behörden und verteidigten ihr Engagement für die Megaprojekte damit, dass ihre Interessen schon heute nicht ausreichend geschützt und keine Maßnahmen gegen ihren wirtschaftlichen Niedergang unternommen würden. Sie glauben, auch bei der Gestaltung der Meeresschutzzone erneut benachteiligt zu werden und setzen deshalb ihre Hoffnung auf die Bergbau- und Hafenprojekte. Für eine gemeinsame Gestaltung der Meeresschutzzone waren diese Fischer nicht zu gewinnen.

Die Veranstaltung endete mit einem Ausflug in die Geschichte. Gastgeber José Aguilera (Historiker und Restaurantbesitzer) stellte dar, wie abhängig die Bevölkerungsentwicklung der Gemeinde La Higuera von der Nutzung von Ressourcen wie Kupfer, Eisen und Locos (Meeresschnecke / Concholepas concholepas) war. Bis heute gab und gäbe es keine Planung, die Gemeinde entsprechend verhandener Ressourcen und anderer Bedingungen zu entwickeln. Dabei wies er u.a. darauf hin, dass es heute keine Locos mehr gäbe, wenn der Staat in den 80-ziger Jahren nicht regulierend eingegriffen hätte. Last not least stellte ein ein Handwerker Skulpturen, Geräte und Werkzeuge vor, die er nach Vorbildern der Chango Kultur (1) gefertigt hat (siehe Bilder).

Der köstliche Fingerfood nach Vorträgen und Diskussion schmeckte Befürwortern und Kritikern und ermöglichte entspannte persönliche Gespräche.

W.K.

Anm.

(1) Die Changos, auch als Camanchacos oder Camanchangos bekannt, sind ein indigenes Volk oder eine Gruppe von Völkern, die einen langen Abschnitt der Pazifikküste vom südlichen Peru bis ins nördliche Chile bewohnten, einschließlich der Küste der Atacama-Wüste. Obwohl ein Großteil der Bräuche und der Kultur der Changos verschwunden ist und sie in vielen Fällen als ausgestorben galten, sind sie in Chile seit 2020 rechtlich als ursprüngliches indigenes Volk anerkannt, und etwa 4.725 Menschen erklären selbst, dass sie zu dieser ethnischen Gruppe gehören.

Related Articles

Hinweis

Alle Bilder sind Eigentum von Sphenisco e.V. bzw. den genannten Fotografen.

Eine Verwendung ist nur nach Rückfrage und Genehmigung zulässig.

Wir benutzen Cookies

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.