Projekte in Chile

Nein zum Ökozid - #NoaDominga

La Serena 15. August 2021.

Am Mittwoch, 11. August 2021 genehmigte die Kommission für die Umweltverträglichkeitsprüfung (COEVA) der Region Coquimbo - zum Erstaunen des ganzen Landes - in einer außerordentlichen Sitzung mit 11 Ja-Stimmen und einer Gegenstimme das Bergbau- und Hafenprojekt Dominga der Firma Andes Iron. Und das obwohl vier Organisationen der Zivilgesellschaft gegen das im April dieses Jahres in dieser Sache ergangene Urteil des Umweltgerichts Antofagasta Berufung beim Corte Suprema (Oberster Gerichtshof) eingelegt haben. Die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs steht noch aus. Zum ersten Mal bestätigt damit diese Kommission ein Projekt, ohne die Entscheidung des Corte Suprema abzuwarten.

Das Umweltgericht Antofagasta hatte die Berufung des Bergbauunternehmens akzeptiert und die COEVA (Kommission für Umweltverträglichkeitsprüfung) angewiesen, auf der Grundlage des früheren Bewertungsberichts (ICE) erneut über das Projekt abzustimmen. Mit anderen Worten, die Abstimmung zu wiederholen und die beiden Ablehnungen des Projekts, die erste im März 2017 durch die Regionalregierung und die zweite im August desselben Jahres durch das Ministerkomitee, aufzuheben (Anm.).

Um die große Bedeutung der Abstimmung und Entscheidung der COEVA vom Mittwoch deutlich zu machen und zu verstehen, warum dieser irreguläre Vorgang eine erneute und vielleicht noch schwerwiegendere Bedrohung für das Ökosystem „Humboldt-Archipel“ in der Gemeinde La Higuera darstellt, müssen einige Fakten benannt werden:

  1. Pablo Hermann, der Beauftragte des Präsidenten Piñera (neue Position seit der Reform 2021 bzgl. der Gouverneure) stimmte als Einziger gegen das Projekt. Seine Begründung: Er lehne das „Dominga-Projekt“ solange ab, bis man sich in der Region Coquimbo auf einen Verladehafen beschränke. Er forderte die Unternehmen (Andes Iron und Compañía Minera del Pacífico (CMP) auf, sich darauf zu verständigen, nur einen Hafen in diesem Gebiet zu betreiben. Das heißt, die Kommission für Umweltverträglichkeitsprüfung (COEVA) unterstützt und fördert den Hafen Cruz Grande in Chungungo der Firma CMP. Dieser Hafen wurde 2015 ebenfalls unter politischem Druck mit zahlreichen Unregelmäßigkeiten, wie der Hafen von Dominga, genehmigt.
  2. Dabei ist zu bedenken, dass die Baugenehmigung des Hafens Cruz Grande inzwischen erloschen ist, da der Bau nicht innerhalb der im Umweltgesetz vorgesehenen 5-Jahres-Frist begonnen wurde. Dennoch beharrt die Firma darauf, dass die Genehmigung noch gültig sei.
  3. Das Dominga-Projekt wurde und wird jetzt wieder auf der Basis einer fachlichen Stellungnahme genehmigt, die im März 2017, also vor viereinhalb Jahren, erstellt wurde. Die Stellungnahme wurde von Fachleuten in Santiago erarbeitet und war darauf angelegt, die Genehmigung des Projektes zu begünstigen. Die Expertise der zuständigen Fachleute in der Region wurde nicht nur nicht berücksichtigt, sie wurde gezielt umgangen.
  4. Die COEVA (Kommission für Umweltverträglichkeitsprüfung) wurde vom Beauftragten des Präsidenten Piñera einberufen. Sie besteht aus zehn regionalen Ministerialsekretären, die alle vom derzeitigen Präsidenten ernannt wurden. Bis 2010 war der Präsident zudem auch Mehrheitseigentümer von Andes Iron. Er ist ein enger Freund des derzeitigen Eigentümers Carlos Delano, der wegen wiederholter Steuervergehen zu 99 Stunden Ethikkursen verurteilt wurde.
  5. Bleibt die Frage, was die Verantwortlichen tun werden, um der Firma Andes Iron den angekündigten Verzicht auf den geplanten Hafen in Totoralillo Norte zu ermöglichen. Dazu ist es erforderlich, die institutionellen Bedingungen zu umgehen, da das Umweltrecht bei Änderungen eines Projektes vorsieht, den Prozess der Umweltverträglichkeitsprüfung wieder neu zu beginnen.
  6. Das System der Umweltverträglichkeitsprüfung hat dem Druck des Bergbauunternehmens und der derzeitigen Regierungsbehörden nachgegeben, zugunsten privater Interessen und zum Nachteil von Natur und Menschen. Die bedrohten Meeresschutzgebiete sind von unschätzbarem und unersetzlichem Wert, sie sind global von entscheidender Bedeutung für die biologische Vielfalt. Die Realisierung des Minen-Projekts hat im Übrigen auch schwerwiegende Auswirkungen an Land. Es kann dazu führen, dass das Grundwasser irreversibel versiegt. Dadurch würden Lebensräume von Pflanzen und Tieren von großer biologischer Bedeutung geschädigt und der Bevölkerung der Zugang zu Wasser für den täglichen und landwirtschaftlichen Bedarf genommen werden.

Wie geht es weiter?

Es gibt 2 parallele Wege.

Bürgerorganisationen und Oceana haben gegen das Urteil des Umweltgerichts Antofagasta zugunsten des Projekts Dominga im April dieses Jahres am Obersten Gericht Einspruch eingelegt. Die Entscheidung des Gerichts steht noch aus. Außerdem werden Gruppen der Zivilgesellschaft gegen die Zulassung des Projekts durch die COEVA juristisch vorgehen.

Es ist wichtig klarzustellen, dass das Projekt bereits von zwei offiziellen Instanzen zurückgewiesen wurde und sich aktuell noch in der Prüfung am Obersten Gerichtshof befindet. Wenn der Oberste Gerichtshof den Einsprüchen stattgibt, ist die Abstimmung vom 11. August ungültig.

Die Zulassung des Projekts vom 11. August bedeutet keineswegs eine Baugenehmigung. Sie ermöglicht lediglich die Bearbeitung sektoraler Genehmigungen.

Zivilgesellschaften der Gemeinden und Umweltschützer sind entschlossen, nicht aufzugeben, bis die Pläne „Dominga-Mine“ nicht mehr existent sind. Sie rufen die Bürger auf, sich nicht täuschen zu lassen, äußerst alarmiert und aktiv zu bleiben.

Die Entscheidung der Kommission für Umweltverträglichkeitsprüfung ist eine nationale Schande, umso mehr, wenn man bedenkt, dass wir uns in einer Klimakrise befinden.

Nancy Duman
(Sphenisco Chile)

Anm.

(1) siehe Artikel „Warten auf eine Entscheidung“ vom 25. April 2021 mit „Erklärung vom 21. April 2021“.

Proteste und Aktionen gegen die Entscheidung

Landau 18. August 2021. Während der Entscheidung am 11. August demonstrierte Alianza Humboldt und Defensa ambiental 4. Region vor dem Sitz der Regionalregierung in La Serena und verlasen eine Erklärung. Viele Organisationen und Institutionen reagierten schnell und veröffentlichten Protestnoten, u.a. die CONAF, Region Coquimbo (Corporación Nacional Forestal, verantworlich für den Naturschutz), FENATRAMA - Arbeiter des Umweltministeriums und der SEA (verantwortlich für Prüfungen der Umweltverträglichkeit), ANFUMMA – Vereinigung der Funktionäre des Umweltministeriums, Sernapesca, Region Coquimbo (Servicio Nacional de Pesca y Acuicultura, Fischereibehörde), der nationale Servicio de Evaluación Ambienta (SEA, verantwortlich für Prüfungen der Umweltverträglichkeit), Mitarbeiter der Nationalparks, Gewerkschaft der Kupferminenarbeiter. In der Vergangenheit gab es solche öffentlichen Proteste von Behörden und Mitarbeitern des Öffentlichen Dienstes nicht. Sie markieren eine neue Qualität der öffentlichen Diskussion in Chile.

In den nächsten Wochen sind folgende Aktionen geplant:

  • Übergabe eines Protestschreibens an die Kommission für Umweltverträglichkeitsprüfung,
  • Demonstration vor dem Büro der Firma Andes Iron mit Übergabe eines Schreibens,
  • Trauerzug von Chañaral de Aceituno bis nach La Serena (Strecke 120 km!),
  • Aktionstage in allen Küstendörfern der Gemeinde La Higuera,
  • wöchentlicher Informationsstand an der Av. Francisco de Aguirre in La Serena,
  • Online- und Live-Konzerte zur Unterstützung der Proteste.

Analysiert man Vorgehen und Öffentlichkeitsarbeit der Firma Andes Iron, drängt sich folgende Vermutung auf: Die Firma ist bestrebt, das Hafen- und Bergbauprojekt möglichst noch in der Amtszeit von Präsident Piñera zu starten. Die Wahlen in Chile sind im November 2021, die Amtseinführung des neuen Präsidenten im März 2022. Es ist nicht möglich, die juristischen Auseinandersetzungen in den verbleibenden 6 Monaten abzuschließen. Will man das Projekt „Dominga“ noch in der Amtszeit von Präsident Piñera starten, geht dies nur, wenn man erneut Gesetze und institutionelle Bedingungen umgeht. Der Aufruf sich nicht täuschen zu lassen, äußerst alarmiert und aktiv zu bleiben, ist wahrscheinlich mehr als berechtigt.

W.K.

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