Projekte in Chile

Heute feiern wir, morgen streiten wir für eine Meeresschutzzone

Landau 25. Januar 2023.

Das Komitee der Minister (1) entschied am 18. Januar 12 Einsprüche gegen das Bergbau- und Hafenprojekt Dominga positiv und lehnte das umstrittene Projekt einstimmig ab.

Vor der Entscheidung waren Befürworter und Kritiker sehr aktiv. Das breite Bündnis Alianza Humboldt lud zur Kulturaktion “Musik und Protest – Nein zu Dominga” auf die Plaza de Armas in La Serena ein. In dem mehr als 4-stündigen Programm traten ganz verschiedene Künstler auf. Die Darbietungen vor mehreren Hundert Menschen wurden durch Reden von Vertretern aus Chungungo und Punta de Choros, Alianza Humboldt und regionalen Behörden ergänzt. Die Redner bekräftigten ihr Engagement für eine Meeresschutzzone und ein Humboldt Archipel, das frei ist von Megaprojekten.

Auf Antrag einiger Abgeordneter behandelte der Umweltausschuß des chilenischen Parlaments am 16. Januar den “Fall Dominga”. Nancy Duman war zu der Sitzung eingeladen, die Auffassung der Alianza Humboldt darzulegen. 

Am Tag der Entscheidung demonstrierten Bürger aus La Higuera und der Region vor dem Umweltministerium in Santiago gegen “Dominga”. Die Reise in die Hauptstadt hatte die NGO Oceana organisiert.

Rund 50 Parlamentarier appellierten an das Komitee der Minister, das Bergbau- und Hafenprojekt abzulehnen. 

Nie in den letzten 20 Jahren wurde in den Medien so ausführlich und breit über den Konflikt um das Humboldt Archipel berichtet. In Chile griffen alle Zeitungen und Online-Zeitungen die Causa “Dominga” auf, international die Deutsche Welle, der Guardian aus England und die Nachrichtenagentur Reuters. Die Berichterstattung war oft wenig ausgewogen, besonders ärgerlich, dass einige Medien Fake News und Halbwahrheiten gar nicht oder kaum kritisch einordneten. 

Ein paar Beispiele. Andes Iron darf unwidersprochen versichern, das Projekt "erfüllt nicht nur alle Standards, sondern übertrifft sie und steht mit den von der Regierung festgelegten Grundsätzen für nachhaltige Entwicklung von Industrie- und Bergbauprojekten hinsichtlich Umweltschutz im Einklang". Schon vergessen? Vor zweieinhalb Wochen stellten die zuständigen staatlichen Fachdienste (2) kritisch fest: “legen eine ungünstige Umweltbewertung des Dominga-Projekts nahe", "es ist klar, dass es nicht den geltenden Umweltvorschriften entspricht", "es gab während des gesamten Prozesses keine angemessene Definition des Wirkungsbereiches, dadurch wurden wissenschaftliche Argumentationen verhindert" (s. Staatliche Fachdienste kritisieren ...). Andes Iron geht auf diese aktuelle Kritik der Fachdienste nicht ein, begründet ihre positive Bewertung auch nicht. Die Firma bleibt sich treu und setzt ihre seit Jahren praktizierte “Pippi Langstrumpf-Strategie” fort: Wir machen uns die Welt ...wie sie uns gefällt. 

Einige Befürworter z.B. Yerko Galleguillos, Bürgermeister von La Higuera blenden Fakten aber nicht nur aus, sie diskreditieren die Orientierung an ihnen auch als “politisch voreingenommen” oder “parteiisch”. Es wird daran erinnert, dass Gabriel Boric sich im Präsidentschafts-Wahlkampf gegen die Verwirklichung der Bergbau- und Hafeninitiative ausgesprochen hat. Statt sich mit den Gründen und Argumenten des Präsidenten oder jetzt der Minister auseinander zu setzen, unterstellen die Befürworter einfach, es werde nach politischen und nicht nach sachlich-fachlichen Kriterien geurteilt und entschieden.

Wer mit dem Finger auf andere zeigt, auf den zeigen bekanntlich 3 Finger zurück. Im Jahr 2021 enthüllten die Pandora Papers, dass die Familie des damaligen Präsidenten Sebastián Piñera und seine Partner zu 56 % am Dominga-Projekt beteiligt waren. 2010 verkaufte der Milliardär Piñera Anteile an seinen engen Freund und Geschäftspartner Carlos Alberto Délano. Dabei kam es laut Pandora Papers zu Unregelmäßigkeiten. Die dritte Rate der Zahlung wurde an eine Klausel gebunden, in der sich die Regierung verpflichtet, das für die Mine vorgesehene Gebiet nicht unter Schutz zu stellen. Präsident Piñera wies die Vorwürfe stets zurück. Das durch die Enthüllungen ausgelöste Amtsenthebungsverfahren im Senat überstand er nur knapp.

Vor der Entscheidung war Yerko Galleguillos, Bürgermeister von La Higuera besonders engagiert. Er wird u.a. mit der Äußerung zitiert: "Die Leute reden über das Aussterben des Pinguins und des Yunco (3), aber ich spreche über das Aussterben meiner Nachbarn, die keine Arbeit haben. ... Wann reden wir endlich von Menschen und hören auf, über Fische und Vögel zu reden?“ Der Bürgermeister blendet gezielt aus, dass es um die Bewahrung eines besonders wertvollen Ökosystems geht, vom dem auch viele Arbeitsplätze in der handwerklichen Fischerei und im Tourismus abhängig sind. Analysen zeigen, dass durch “Dominga” mehr Arbeitsplätze verloren gehen als neue dauerhaft entstehen. Der Bürgermeister begründet nicht, wie er zu einem anderen, einem positiven Ergebnis kommt. 

Gerne behauptet Señor Galleguillos auch, dass sich 2022 in einer Volksbefragung 96 % der Bürger La Higueras für das Bergbau- und Hafenprojekt ausgesprochen haben. Die Zahl stimmt. Der Bürgermeister verschweigt allerdings, dass die Befragung irregulär war, da sie nicht die Kriterien der kommunalen Verordnung für Bürgerbeteiligung erfüllte. Er verschweigt weiter, dass nur 18 % der Bürger (827 von 4.505 Wählern) an der Befragung teilnahmen, während 82 % dem Aufruf zum Boykott folgten oder aus anderen Gründen nicht wählten. Soweit bekannt, lehnt eine deutliche Mehrheit seit Jahren das Projekt “Dominga” ab. (s. “… die „Karawane des Lebens“ zieht weiter”, März 2022 und “Danksagung 18. Januar ´23”). 

Bürgermeister Galleguillos wirbt seit Jahren dafür, die Gemeinde La Higuera mit Hilfe des Projekts “Dominga” zu entwickeln. Die Parteinahme ist genau genommen nicht mit seinem Amt vereinbar. Als Bürgermeister vertritt er alle Bürger, müsste also auch die Position der Kritiker berücksichtigen und sich um einen Ausgleich der Interessen bemühen, statt die Gräben immer aufs Neue zu vertiefen. 

Bereits 2017 wurde „Dominga" sowohl auf regionaler Ebene als auch vom Ministerkomitee während der Regierung von Präsidentin Michelle Bachelet abgelehnt. Die Firma Andes Iron klagte dagegen beim Umweltgericht in Antofagasta und beim Obersten Gerichtshof. Der Corte Suprema verwies schließlich die Causa „Dominga“ zur Entscheidung wieder an das Ministerkomitee. Andes Iron hat angekündigt, erneut zu klagen. “The same procedure as last years? Schwer zu sagen.

Im April oder Mai soll ein Plan für eine bi-regionale Meeresschutzone vorgestellt und beraten werden. Läuft alles nach Plan, könnte das Komitee der Minister im Juni über die Deklaration einer AMCP-MU (4) und Eckpunkte ihrer Gestaltung entscheiden.

Vergangenen Oktober hat die Nichtigkeitsklage Nancy Dumans ihren Marsch durch die juristischen Instanzen angetreten. Mit der Klage soll nachgewiesen werden, dass das Verfahren der regionalen Bewertungskommission (COEVA) unwirksam oder rechtswidrig war (s. “Das Umweltgericht gibt der Klage ...”, Oktober 2022).

Beide Vorgänge haben das Potential, die Bedingungen für das Bergbau- und Hafenprojekt von Andes Iron grundlegend zu verändern.

Schon der Sänger und Komiker Otto Reuter (1870-1931) wusste: “Alles wär' nicht halb so schwer, wenn das Wörtchen "wenn" nicht wär'”.

W.K. 

Anm.
(1) Umweltministerin Maisa Rojas, Gesundheitsministerin Ximena Aguilera, Wirtschaftsminister Nicolás Grau, Landwirtschaftsminister Esteban Valenzuela, Energieminister Diego Pardow und Bergbauministerin Marcela Hernando

(2) regionales Umwelt- und Gesundheitsministerium, Unterstaatssekretariat für Fischerei, CONAF, Generaldirektion für Wasser und die Dienststelle für Landwirtschaft und Viehzucht

(3) Garnot Sturmvogel - Pelecanoides garnotii

(4) Areas Marinas Costeras Protegidas de Multiple Uso (ACMP-MU), Schutzzone des Meeres und der Küste mit verschiedener Nutzung

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