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Kein Grund zum Feiern – Gedanken zum Welt-Pinguin-Tag

Landau 25. April 2022

Brigitte Schmalenberg, Journalistin und freie Mitarbeiterin bei der Tageszeitung Die Rheinpfalz, hat sich Gedanken zum Welt-Pinguin Tag 2022 gemacht. Wir fanden: Absolut lesenwert.

Hätten Sie es gewusst? Der kommende Montag ist für Frackträger reserviert, denn der 25. April ist Welt-Pinguin-Tag! Leider gibt es für die sympathischen Kerlchen keinen Grund zum Feiern. Neue Forschungsergebnisse aus Chile, initiiert vom Landauer Verein Sphenisco, bringen eine traurige Wahrheit ans Licht.

Wenn man die putzigen Humboldtpinguine im Landauer Zoo beobachtet, bekommt man automatisch gute Laune. Ihre witzigen Bauchplatscher und eleganten Tauchmanöver, ihr unbeholfen wirkender Watschelgang und das gesellige Wesen machen die Vögel, die nicht fliegen können, zu Sympahieträgern für Groß und Klein. Niemand wünscht den munteren Kerlchen das schlimme Schicksal der Ausrottung, das ihnen in freier Wildbahn droht. Gabriele und Werner Knauf haben es nicht bei guten Wünschen belassen, sondern vor 14 Jahren den Verein Sphenisco zum Schutz der Humboldt-Pinguine ins Leben gerufen. Er hat seinen Sitz in Landau, agiert aber  international und bündelt die Kräfte vieler Umweltorganisationen in Peru und Chile, wo die bedrohte Tierart zu Hause ist. Der Austausch mit Pinguinforschern, Gruppen der Zivilgesellschaft und auch der lokalen und überregionalen Politik in diesen Ländern ist rege. Erklärtes Ziel aller Bemühungen, so Werner Knauf, sei die Unterschutzstellung und Überwachung von Brutkolonien und die Errichtung von Meeresschutzzonen, inklusive des Verbots mit Dynamit und Kiemenfangnetzen zu fischen. Viel wurde schon erreicht - und nun das: Das vor wenigen Monaten gestartete Projekt „Forschung fürs Überleben“, das auf sechs Jahre angelegt ist und unter anderem den aktuellen Bestand der Frackträger in Chile dokumentieren soll, zeigt vom Fleck weg haarsträubende Ergebnisse. „Auf den bedeutendsten Inseln, die es für die Population gibt, ist der Bestand um 70 Prozent eingebrochen,“ zeigt sich der Sphenisco-Gründer am Boden zerstört. Und präzisiert: „2018 wurden auf der Insel Chañaral 1.045 und auf der Insel Choros 2.859 Brutpaare ermittelt, die aktuellen Zahlen sprechen dagegen von 161 beziehungsweise 381 Brutpaaren. Das ist eine wirklich traurige Wahrheit“

Gemeinsam mit Fachleuten vor Ort, darunter dem Meeresbiologen Alejandro Simeone, der in Kiel promovierte, schon an den Landauer Pinguinen forschte und nun das Projekt in Chile leitet, fragt er sich nach dem Warum. Eine Erklärung könnte sein, dass die früheren Bestandszahlen des Census eventuell auf methodische Fehler zurückzuführen sind. Damals wurde die Anzahl der Brutpaare mit dem sogenannten Distance sampling ermittelt. Dabei wird die Bestandsaufnahme in einem repräsentativen Gebiet gemacht und die Populationsdichte auf die ganze Fläche hochgerechnet. Bei den aktuellen Zählungen wurden die Brutpaare „face to face“, also direkt am Nest gezählt und obendrein ein Vergleich zur früheren Methode angestellt. Es zeigte sich, dass das Distance sampling zu einer „deutlichen Überschätzung“ führen kann. Ob dies allein die krasse Differenz erklärt? Weitere Erkenntnisse sollen die Zählungen der nächsten Jahre bringen. Darüber hinaus beinhaltet die „Forschung für das Überleben“; die vom Zoo Dresden, dem Förderverein Tierpark Hagenbeck, Hamburg und der Artenschutzstiftung Zoo Karlsruhe gefördert wird, weitere Untersuchungen. Bei einem Monitoring sollen die aktiven Nester von über 100 Brutpaaren unter die Lupe genommen werden: Wie viele Jungen sind geschlüpft? Wie viele überleben? Welche Nester werden verlassen? Welche stets neu belegt? Weil es hierzu noch keine Vergleichsdaten gibt, wird erst die Zukunft Aufschlüsse geben.

Ein dritter Forschungsschwerpunkt ist die Nahrungssuche. Um herauszufinden, wo und wie die Pinguine nach Futter tauchen, welchen Gefahren sie dabei ausgesetzt sind und wie effektiv sie Fische fangen, werden ausgewählte Tiere sogar mit einer Mini-Kamera ausgestattet.

Dass gleich der Auftakt des ambitionierten, sechsjährigen Forschungsprojekts eine so traurige Bilanz aufweist, hat die Forscher und Naturschutzbehörden auf beiden Seiten des Ozeans gehörig aufgeschreckt. Schon nach der bisherigen Quellenlage stehen Humboldt-Pinguine auf der Roten Liste, jetzt muss ihr Status von „gefährdet“ vermutlich auf „stark gefährdet“ oder gar „vom Aussterben bedroht“ verschärft werden. Trotzdem brachte die erste Zählrunde auch einen zarten Lichtblick: Auf der kleinen Insel Tilgo haben Alejandro Simeone und seine Helfer deutlich mehr Brutpaare gezählt als in früheren Aufzeichnungen dokumentiert. Leider, so weiß Werner Knauf, beansprucht diese tapfere Pinguinkolonie ausgerechnet ein Gebiet, das direkt an der Schifffahrtsroute für zwei geplante, aber heftig umstrittenen Verladehäfen liegt. Es gibt also auch weiterhin viel zu tun für Sphenisco in Landau und die Pinguin-Freunde weltweit.

Info

Sphenisco – Schutz des Humboldt-Pinguins möchte in Zusammenarbeit mit chilenischen und peruanischen Naturschützern und Wissenschaftlern dazu beitragen, den Humboldt-Pinguin vor der Ausrottung zu bewahren. Der Verein initiiert und unterstützt finanziell verschiedene Forschungsprojekte, bemüht sich um die Verbesserung von Haltungsbedingungen und Zuchterfolgen in zoologischen Gärten und leistet Aufklärungsarbeit vor allem in Schulen. Weitere Infos, auch einige kleine Videos über die gefährdeten Frackträger unter https://sphenisco.org

Am Sonntag, 24. April, von 11 bis 17 Uhr hat Sphenisco einen Informationsstand an der Pinguinanlage im Landauer Zoo.

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